Warum Juden gerne als Nazis bezeichnet werden

Eine der vielen bizarren Schauspiele seit der Explosion des weltweiten Antisemitismus ist die Darstellung der Juden als Nazis. Gaza wird mit Auschwitz verglichen, Netanjahu mit Hitler und so weiter. In den Worten des brasilianischen Präsidenten: „Es ist kein Krieg von Soldaten gegen Soldaten. Es ist ein Krieg zwischen einer gut vorbereiteten Armee und Frauen und Kindern. Was im Gazastreifen mit dem palästinensischen Volk geschieht, hat es zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte gegeben, außer zu einem: Als Hitler beschloss, die Juden zu töten.“

Von den höchsten Staatschefs, bis zu den niedrigsten Judenhassern auf Anti-Israel-Demos, werden die Juden mit Nazis verglichen. Brendan O´Neill beschreibt dieses Phänomen auf einer Palästina-Demo in London:

‚Ich dachte, Hitler sei tot‘, stand auf einem Plakat neben einem Bild des Davidsterns. Die Juden sind die neuen Nazis, wird suggeriert. Sie sind ein so böses Volk, dass sie den Palästinensern mit Freude die gleichen Leiden zufügen, wie sie ihnen einst zugefügt wurden. ‚Gesucht wegen Massenmordes‘, sagte ein weiteres Plakat mit einem Bild von Benjamin Netanjahu neben Hitler. Ein Hippie-Paar mit kulturell angepassten Keffiyeh-Schals hielt ein Plakat mit einem Foto des israelischen Sprechers Eylon Levy und den Worten hoch: ‚Der Goebbels von Gaza‘.

In seinem Bericht hebt O´Neill zwei Gründe für die Darstellung der Juden als Nazis hervor. Der erste Grund ist offensichtlich. Vor allem bei deutschen Palästina-Freunden, die ein besonderes Interesse daran haben, ihr Gewissen reinzuwaschen.

Die Umkehrung des Holocaust ist inzwischen so weit verbreitet, sie ist ein so zentrales Motiv der angesagten Israelophobie, dass die Gefahr besteht, dass wir sie nur noch als störend empfinden. Als das Geschwätz dummer Jugendlicher, die ihre Geschichte nicht kennen, die nicht wissen, dass es keinen Vergleich zwischen dem blutigen Krieg in Gaza, den die Hamas begonnen hat, und dem akribisch geplanten Versuch der Nazis gibt, alle Juden auf der Welt auszurotten. Aber das wäre falsch. Denn dies ist mehr als eine Fantasterei. Es ist eine ekelerregende Umkehrung der Wahrheit, die darauf abzielt, die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen und gleichzeitig die Aktionen Israels zu kriminalisieren. Wie die große Kämpferin gegen den Antisemitismus, Deborah Lipstadt, über die Umkehrung des Holocausts sagt: „Sie hebt alle angeblichen Missetaten Israels um das Zigfache an und mindert das, was die Deutschen getan haben, um das Zigfache“.

Der Holocaust war das größte Verbrechen der menschlichen Geschichte. Will man einem Staat so stark wie möglich angreifen, vergleicht man seine Taten mit denen der Nazis. Das ist vielleicht noch verständlich, wenn dies bei allen möglichen Konflikten angewendet würde, aber komischerweise wird fast nur Israel mit Nazi-Deutschland verglichen.

Hier kommt O´Neills zweiter Grund für die Vorliebe der Holocaust-Umkehrung ins Spiel:

„Anti-Israel-Hitzköpfe scheinen einen kranken Rausch zu verspüren, wenn sie Juden mit Nazis vergleichen. Wenn Sie Herrn Levy so sehr hassen, um ihn auf den Straßen Londons zu diffamieren, warum nennen Sie ihn dann nicht einfach einen „Lügner“ oder „Propagandisten“? Dadurch würde das wahre Ziel dieser abscheulichen Märsche nicht erreicht, das nicht nur darin besteht, Leute wie Herrn Levy zu kritisieren, sondern Juden zu verletzen. Die Juden zu verhöhnen. Salz in ihre historischen Wunden zu streuen. Die öffentliche Brandmarkung von Levy als „Goebbels von Gaza“ ist ein eindeutiger Beweis für die rassistische Gesinnung, die hinter diesen angeblichen Antikriegsversammlungen steckt.“

Es geht den Judenhassern in Präsidentenpalästen und auf den Straßen Europas also nicht nur darum, Israel als sehr böse hinzustellen. Sie wollen Juden auch beleidigen. Und ich muss zugeben, es funktioniert.

Ihr habt selbst Schuld

Ein alter Schulfreund aus Deutschland hat mir seit Beginn des Krieges immer wieder Links zu Verschwörungstheorien geschickt, in denen gesagt wird, dass die Juden den 7. Oktober selbst verursacht haben, Israel die Palästinenser unterdrückt, aber auch, dass die Rothschilds die beiden Weltkriege ausgelöst haben und die Zionisten Schuld am Holocaust waren.

Da wir alte Freunde waren, habe ich anfangs versucht, diese Argumente zu widerlegen, aber ich kam damit nicht sehr weit. Zum Beispiel erklärte ich meinem Freund, dass die Juden von Naturei Karta nur eine kleine Gruppe verrückter Extremisten ist, die niemanden repräsentieren. Als ich weiterhin Clips über diese Spinner erhielt, merkte ich, dass mein Freund mir nicht zuhörte und nicht daran interessiert war, seine Meinung zu ändern.

Spinner von Naturei Karta treffen Hamas-Chef Haniye.

Nach einiger Zeit antwortete ich nicht mehr auf die regelmäßigen Nachrichten, die ich von ihm auf WhatsApp erhielt und hoffte, dass er sein Interesse an einer einseitigen Diskussion verliert, aber das war nicht der Fall. Ich war von diesen Nachrichten wirklich sehr genervt, die im Grunde alles Schlechte in der Welt den Juden zuschreiben, auch das Schlechte, das uns selbst passiert. Ich war jedoch nicht nur genervt, sondern immer wieder traurig über den aktuellen Zustand unserer Welt. Es war mir immer wieder sehr unangenehm, die Nachrichten meines Freundes zu öffnen.

Nachdem mir mein Freund vor einigen Wochen einen weiteren Clip von einem Naturei Karta-Idioten zuschickte, in dem er erklärte, wie schön und sicher das Leben in London sei, im Gegensatz zum gefährlichen Israel, platzte mir der Kragen. Ich schrieb meinem Freund, er sei ein antisemitisches Arschloch und sollte er mir nochmal einen Link schicken, würde ich ihn sperren.

Obwohl mein Freund in seiner Antwort erklärte, dass sein Messias lehrt, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, war sie überhaupt nicht liebevoll. Er nannte mich eine Zionisten-Ratte und ich solle Mal nach Deutschland kommen und ihm das persönlich noch einmal sagen.

Ich hatte das Gefühl, dass mein Freund so heftig reagierte, weil er kurz davor war, seinen Juden zu verlieren. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Judenhassern hatte er einen eigenen Juden, den er beleidigen konnte. Ich spürte sogar durch WhatsApp, wie es ihm Spaß machte mir diese antisemitischen Nachrichten zu schicken und Salz in die Wunde zu streuen.

Es macht einigen Menschen Spaß, Juden zu quälen.

Nach diesem Austausch war es einige Tage ruhig auf meinem Telefon, aber es war für meinen Freund wahrscheinlich schwer auf seinen Judenspaß zu verzichten und er schickte mir wieder einen absolut hirnrissigen Link mit dem Kommentar, „Falls es eskaliert in Israel komm nicht nach Deutschland“. Daraufhin sperrte ich seine Nummer.

Es tut mir leid, einen alten Freund verloren zu haben, aber sein Psychoterror war nicht mehr zu ertragen. Ich hatte während der gesamten Zeit das Gefühl, dass er „einen kranken Rausch“ verspürte, wie es O´Neill formulierte. Ich kann seine Analyse durch meine eigenen Erfahrungen bestätigen.

Es war auch nicht der erste Jugendfreund, den ich an den Antisemitismus verloren habe. Seit dem 7. Oktober hat sich die Welt für Juden jedoch verändert. Wir müssen nichts mehr erklären und brauchen uns nicht mehr zu rechtfertigen. Wir befinden uns wieder in einem Schwarz-Weiß-Film aus den 30er Jahren, in dem man entweder für uns ist oder gegen uns.

5 Kommentare zu „Warum Juden gerne als Nazis bezeichnet werden“

  1. Wahrscheinlich liegt Rav Tovia Singer richtig mit seiner Einschätzung, dass der 07. Oktober ein „Maschiach-ben-Yosef-Momement“ von enormer Reichweite war. Das unsägliche Leid hat in Israel und allen Nationen tiefe Spuren hinterlassen, zum Guten wie zum Bösen.

    In Erez Yisrael und unter den meisten Juden weltweit entstand in einem Nu ein kaum für mögliches gehaltenes Band des Miteinanders und Füreinanders. Und wir Nichtjuden wurden einmal mehr aufgeweckt und herausgefordert uns deutlich zu positionieren. Es gibt tatsächlich nur schwarz oder weiß, ein Für oder Gegen die Kinder Yisraels und damit auch den Gott Yisraels. Höchste Zeit also für Teschuwa, um alle Avoda zara (Götzendienst) hinter uns zu lassen und zurück zum Tanach und der jüdischen Weisheit zu gehen.

    Am Yisrael chai.

    1. Ich stimme dir absolut zu. Dabei geht es nicht nur darum, sich für die armen Juden einzusetzen. Der Konflikt mit dem radikalen Islam betrifft immer mehr auch die Europäer.
      Was meinst du mit „Maschiach-ben-Yosef-Momement“? Vielleicht kannst du den Artikel oder das Video hier posten, ich finde Rabbi Singer immer sehr informativ und unterhaltsam.

  2. Pingback: Wann greifen wir endlich Rafah an?! – Michael Selutin

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