Extremes Wetter in einer extremen Zeit

Vor etwa zwei Wochen gab es in Israel schwere Regenfälle und winterliche Temperaturen von etwa 10 Grad. Letzte Woche begann dann plötzlich eine Hitzewelle mit fast 30 Grad, die wahrscheinlich den Beginn des Sommers eingeläutet hat. Heute um 9.30 Uhr ist es bereits 22 Grad warm. Den Frühling haben wir einfach übersprungen.

Ein moderates Klima haben wir in Israel nur selten, neun Monate im Jahr ist es sehr heiß, während es im Winter zwar nicht sehr kalt, aber irgendwie sehr unangenehm ist. Eine trockene Kälte mit Schnee und Eis, wie ich es in Hannover kannte, gibt es hier nicht. Der Winter ist regnerisch und die Kälte dringt irgendwie tiefer ein, vielleicht weil hier die Luftfeuchtigkeit hoch ist.

Extrem unbequem

Es ist jedoch nicht nur das Wetter in Israel, das extrem ist, viele andere Bereiche des Lebens sind es ebenfalls. Wir befinden uns gerade in einem Krieg mit extremen Monstern, die ihre Kinder als menschliche Schutzschilde benutzen und Israel angreifen, auch wenn sie es niemals besiegen werden. Die Ukraine kann damit rechnen, es wahrscheinlich mit einem rationalen Feind zu tun zu haben, Israel hingegen steht einem Feind gegenüber, dessen Hass kein vernünftiges Denken zulässt.

Ich will damit nicht sagen, dass die Hamasführung dumm oder irrational ist. Ihr Plan, dass die internationale Gemeinschaft Israel davon abhalten wird, die Hamas zu zerschlagen, könnte immer noch aufgehen.

Unser Premierminister Netanjahu versucht trotz allem moderat zu handeln, indem er unseren „Freunden“ im Ausland erlaubt Hilfslieferungen an unsere Feinde in Gaza zu schicken und indem er unsere Soldaten opfert, die von Haus zu Haus gehen müssen, um die Terroristen im Gazastreifen zu töten, anstatt das Gebiet aus der Luft dem Erdboden gleich zu machen. Vielleicht wäre eine extreme Antwort auf das Massaker vom 7. Oktober angemessener und weniger tödlich für unsere jungen Soldaten.

Auch im religiösen Leben sehen wir, dass die Ultraorthodoxen (Charedim) 100 % ihrer Zeit für das Lernen der Torah aufwenden wollen, wobei sie Arbeit und Wehrdienst ablehnen. In den großen amerikanischen orthodoxen Gemeinden ist es weniger extrem und dort kann man Charedi sein und gleichzeitig eine Ausbildung und einen Beruf haben. Charedische Ärzte in Israel sind alle Einwanderer, denn nur in Israel ist es Tabu für Charedim zur Uni zu gehen.

Auf der anderen Seite der Gesellschaft haben wir die extremen linken, atheistischen Israelis, die jetzt mitten im Krieg gegen die Regierung demonstrieren, Neuwahlen fordern, jeden Preis für die Freilassung der Geiseln bezahlen wollen und Straßen blockieren, um Aufmerksamkeit zu erlangen.

Wirtschaftlich ist Israel extrem erfolgreich, diplomatisch extrem isoliert, sportlich extrem bescheiden, menschlich extrem herzlich, landschaftlich extrem vielseitig und so weiter. Das Leben in Israel wird durch seinen Extremismus spannend, aber auch anstrengend und oft frustrierend, denn auch die Bürokratie ist hier extrem langsam.

Nichts neues unter der Sonne

Natürlich hat all dies seinen Ursprung in der Torah, die selbst ein sehr extremes Werk ist. Sie verlangt vom jüdischen Volk die Einhaltung von 613 Geboten, die die Basis für tausende weitere Gebote und Verbote bilden. Keine andere Religion hat so extreme Ansprüche an ihre Mitglieder.

Als ich anfing die biblischen Gebote einzuhalten, hörte ich oft von meinen Eltern, dass es zu extrem ist am Fastentag auch nicht zu trinken, am Schabbat keine Nachrichten zu hören, keine Milchprodukte mit Fleisch zu mischen und vieles mehr.

Wir sind auch ein extrem halsstarriges Volk, wie es in 2. Mose 32,9 heißt, „Und der Herr sprach zu Mose: Ich habe dieses Volk beobachtet, und siehe, es ist ein halsstarriges Volk.“ Diese Halsstarrigkeit hat uns im Laufe der Jahrtausende geholfen die extremen Anforderungen der Torah unter extremsten Bedingungen zu erfüllen.

Dabei werden wir von unseren Weisen immer wieder aufgefordert, den goldenen Mittelweg zu suchen und Extreme zu vermeiden, aber irgendwie scheint das jüdische Volk im Land Israel zum Extremismus zu neigen.

Vielleicht ist das jedoch der Grund, warum das Volk Israel zuerst in Stämme aufgeteilt war und heute in verschiedene Gemeinden, die so unterschiedlich sind: Man soll sich gegenseitig ausgleichen.

Wenn eine Gruppe zu extrem wird, kann sie durch eine andere Gruppe ausgeglichen werden, wie es vor einigen Tagen mit dem sephardischen Oberrabbinner der Fall war. Rabbi Josef hatte gesagt, dass die Charedim auswandern würden, wenn man sie zwingt zur Armee zu gehen. Diese Aussage wurde von vielen Stimmen aus allen möglichen Gruppen verurteilt und der Oberrabbiner musste seine Aussage „korrigieren“. Nicht nur Atheisten wünschten ihm und seinen Anhängern eine gute Reise und der Rabbi merkte schnell, dass seine Aussage zu extrem war.

Ein anderes Beispiel könnte die Tatsache sein, dass die Woke-Progressive Ideologie in Israel weniger Fuß fassen konnte, als in anderen westlichen Ländern, auch wenn es hier ebenfalls starke, linke, progressive Gruppen gibt. Es ist wahrscheinlich dem Druck der religiösen Gemeinden zu verdanken, dass Geschlechtsumwandlungen, Homoehe und andere Pfeiler dieser schwachsinnigen Ideologie in Israel kein allgemein anerkanntes Thema sind.

Extrem sein, oder nicht extrem sein

Die Frage um Extremismus, oder religiösen Eifer ist eine alte jüdische Frage, die im Laufe der Jahrtausende viel diskutiert wurde. Eine wichtige Episode aus der Bibel bildet dabei die Grundlage für die Frage, wann Extremismus angebracht ist. In 4. Mose 25 wird beschrieben, wie das Volk Israel seine Zelte in der Nähe des Gelobten Landes aufgeschlagen hat, um es demnächst zu erobern:

Heute kann man in Mitzpe Rimon bequemer zelten, als vor 3500 Jahren.

„Und Israel ließ sich in Sittim nieder; und das Volk fing an, Unzucht zu treiben mit den Töchtern der Moabiter, und diese luden das Volk zu den Opfern ihrer Götter ein. Und das Volk aß mit ihnen und betete ihre Götter an. Und Israel begab sich unter das Joch des Baal-Peor. Da entbrannte der Zorn des Herrn über Israel.“

„Und siehe, ein Mann aus den Kindern Israels kam und brachte eine Midianiterin zu seinen Brüdern, vor den Augen Moses und vor den Augen der ganzen Gemeinde der Kinder Israels, während sie weinten vor dem Eingang der Stiftshütte. Als Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, dies sah, stand er aus der Mitte der Gemeinde auf und nahm einen Speer in seine Hand; und er ging dem israelitischen Mann nach, hinein in das Innere des Zeltes, und durchbohrte sie beide durch den Unterleib, den israelitischen Mann und die Frau. Da wurde die Plage von den Kindern Israels abgewehrt.

Die Zahl derer aber, die an dieser Plage starben, war 24 000.

Und der Herr redete zu Mose und sprach: Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, hat dadurch, daß er mit meinem Eifer unter ihnen eiferte, meinen Grimm von den Kindern Israels abgewandt, so daß ich die Kinder Israels nicht vertilgt habe in meinem Eifer. Darum sprich zu ihm: Siehe, ich gewähre ihm meinen Bund des Friedens, und es soll ihm und seinem Samen nach ihm der Bund eines ewigen Priestertums zufallen dafür, daß er für seinen Gott geeifert hat und so Sühnung erwirkt hat für die Kinder Israels!“

Während Mosche über die Sünden seines Volkes weinte, spießte Pinehas (Pinchas auf Hebräisch) die Täter einfach auf. Diese extreme und brutale Aktion wurde von Gott mit dem Bund des Friedens belohnt. Wie ist das zu verstehen?

Es wurden im Laufe der Zeit viele unterschiedliche Antworten auf diese Frage gegeben, hier ist eine von Rabbi Boruch Leff, die besonders für unsere Zeit aktuell ist:

Was ist die jüdische Auffassung von Pazifismus? Was bedeutet Frieden wirklich? Die Tora belehrt uns über all diese Fragen.

Gott lehrt uns eine grundlegende Lektion über Krieg und Frieden. Kriege sind zuweilen notwendig. Es gibt so etwas wie einen gerechtfertigten Krieg. In Prediger 3:8 heißt es: „Es gibt eine Zeit für den Krieg„.

Frieden bedeutet nicht, dass es keinen Krieg gibt. Wenn Frieden ein passives Fehlen von Krieg ist, dann ist es unmöglich, dass Pinchas durch seine gewaltsame Tat des Tötens Frieden erlangt. Frieden ist ein Zustand, in dem es eine Nähe gibt, eine Beziehung, eine Art, miteinander umzugehen. Es geht nicht nur darum, dass ich dich nicht störe und du mich nicht störst; das ist kein Frieden. Es geht darum, dass wir zusammen leben und zusammen arbeiten und eine Einheit haben, eine Gemeinsamkeit, dass wir alle Teil eines Ganzen sind.

Im Hebräischen leitet sich das Wort für Frieden, Shalom, von der Wurzel Shalem ab, die ganz oder vollständig bedeutet. Frieden ist eine kooperative, symbiotische Beziehung, in der beide Parteien füreinander sorgen, sich gegenseitig helfen und sich letztlich gegenseitig vervollkommnen. Von zwei Menschen, die sich hassen und nie miteinander sprechen, aber auch nie streiten, kann man nicht sagen, dass sie in Frieden miteinander leben. Eheliche Harmonie und häusliche Ruhe bedeuten nicht einfach nur, dass es im Haus kein Geschrei und kein Gebrüll gibt. Es ist ein Zustand, in dem der Ehepartner wirklich an Erfolgen teilhat, einen stärkt, wenn es einem schlecht geht, wenn man am Boden liegt, liebt, verehrt und schätzt.

Da der Frieden eine aktive Kraft ist und kein passiver Mangel an Krieg, muss letztendlich alles, was diesen Zustand des wahren Friedens stört und zerstört, entfernt werden, damit wahrer Schalom – Frieden – existieren kann. Aus diesem Grund schafft Pinchas durch seine eifrige Tat tatsächlich Frieden. Pinchas stoppt die Plage gegen das jüdische Volk und bringt durch einen gewalttätigen Akt des Krieges den Frieden.

Berlin nach dem Krieg.

Es ist sehr oft notwendig, Frieden nur durch einen scheinbaren Gewaltakt zu schaffen. Man muss die Dinge beseitigen, die die Harmonie stören und die Spannungen zwischen den Völkern erzeugen, damit Frieden herrscht. Und es ist nicht immer möglich, die Dinge, die den Frieden blockieren, mit gewaltfreien Mitteln zu beseitigen.

Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass man mit den Nazis gewaltfrei hätte umgehen können? Kann man mit Osama bin Laden gewaltfrei umgehen? Ariel Sharon hat immer gesagt, dass der Weg zum Frieden im Nahen Osten mit einem entschlossenen militärischen Vorgehen gegen die terroristische Infrastruktur beginnen muss. Erst wenn die Gewalt als Option ausgeschaltet ist, kann Frieden erreicht werden. Ähnlich kann man auch für die Entscheidung Harry Trumans argumentieren, die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen, die zum Ende des Zweiten Weltkriegs Frieden brachte. Wir haben das berühmte Bild des Atompilzes gesehen, der etwa 400.000 Menschen tötete. War die Kriegshandlung Trumans gerechtfertigt?

Dazu Folgendes:

„In einer Sitzung am 18. Juni gab das Joint War Plans Committee Truman eine voraussichtliche Todesrate von 31.000 bis 50.000 und eine voraussichtliche amerikanische Kausalitätsrate (Tote, Verletzte und Vermisste) von 132.500 an. Während der Kämpfe im Pazifik vom 1. März 1944 bis zum 1. Mai 1945 wurden die Japaner in einem Verhältnis von 22 zu 1 getötet. Wenn wir also von 40.000 amerikanischen Todesopfern ausgehen, können wir 880.000 japanische Todesopfer hochrechnen – das ergibt eine Gesamtzahl von 920.000 Todesopfern. Obwohl die Todesraten für Hiroshima und Nagasaki sehr unterschiedlich sind, sind sie nicht einmal halb so hoch. Daraus könnte man schließen, dass die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki tatsächlich Leben gerettet haben, wenn eine Invasion auf Kyushu notwendig gewesen wäre und die Japaner in einem ähnlichen Ausmaß wie bei früheren Kämpfen getötet wurden.“

Wenn sich alle Menschen auf der Welt für einen echten Frieden einsetzen würden, der eine kooperative, symbiotische Beziehung beinhaltet, könnte der Pazifismus vielleicht eine machbare Position sein. Da dies nicht der Fall ist, müssen wir oft gewaltsam die Dinge zerstören, die Spannungen zwischen den Völkern erzeugen, damit Frieden herrscht.

In der realen Welt bringen Kriege oft den endgültigen Frieden, nicht der Pazifismus.

Eigentlich wollte ich nur über das extreme Wetter zurzeit sprechen, aber bin extrem abgeschweift. Na ja, zumindest haben wir etwas gelernt. Allen Lesern wünsche ich eine extrem schöne Woche!

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