“Ich will nicht!” – Wie man Kinder dazu bringt ihr Zimmer aufzuräumen

Meine drei kleinen Engel spielen gerade schön miteinander. Sie haben eine Burg gebaut und ihre Einhörner befreien gerade die Playmobil-Prinzessin aus den Klauen des bösen Teddybärs.

Es ist für Eltern immer eine große Freude, wenn die Kinder harmonisch miteinander spielen, aber leider ist es schon spät und der Balagan (Chaos auf Hebräisch), den sie beim Spielen gemacht haben, räumt sich nicht allein weg. Zähne putzen, Schlafanzug anziehen und schließlich ins Bett gehen stehen an und ich habe schon ein nervöses Blinken im linken Auge, wenn ich daran denke, was mir jetzt bevorsteht.

Ich versuche es zunächst freundlich und ich gebe ihnen Zeit, sich auf das Ende ihrer Spielzeit vorzubereiten, wie ich es in Büchern über Erziehung gelernt habe.

„Liebe Kinder, es ist schon spät, ihr könnt noch ein paar Minuten spielen und dann müsst ihr aufräumen, ok?“

„Will nicht!“ antwortet Naomi (6) ohne aufzuschauen.

„Leider ist der Tag bald zu Ende, es ist dunkel und wir gehen gleich schlafen. Ich komme gleich zurück und dann müsst ihr beginnen aufzuräumen, ok?“

Keine Reaktion.

Nach einigen Minuten komme ich zurück ins Kinderzimmer und der Kampf um die Prinzessin ist in vollem Gang. Ich schaue einige Minuten zu wie die süßen Kleinen miteinander spielen und gehe wieder weg. Es wäre gemein, sie jetzt zu unterbrechen.

Etwas später sind sie immer noch am Spielen, aber dieses Mal fange ich an, ihre Schlafanzüge auf ihren Betten auszulegen. Sie schauen kurz auf, aber geben keine Anzeichen, dass sie meinen Wink verstanden haben.

Die Schlafanzüge liegen sauber auf den Betten der drei Heldinnen, jetzt ist der Zeitpunkt für die unausweichliche Konfrontation gekommen.

„Ok, das wars! Räumt eure Spielsachen auf. Es ist schon spät!“ rufe ich auf freundliche, aber bestimmte Weise.

„Nein, nicht jetzt!“ ruft Racheli (7) und alle drei Mädchen klammern sich an ihre Einhörner, als könnten sie sie vor dem neuen Bösewicht in ihrem Zimmer retten.

„Tut mir leid, aber ihr könnt morgen weiterspielen. Also los, räumt schnell auf und dann putzen wir die Zähne.“

„Nie können wir spielen!“ schreit Sarah (fast 9) und wirft sich strampelnd auf den Boden.

Ich weiß nicht, woher die Kinder am Abend noch so viel Energie zum Schreien und Strampeln haben. Meine Energiekurve verläuft in die entgegengesetzte Richtung, wenn es gesellschaftlich akzeptabel wäre, würde ich auch um halb acht schlafen gehen.

Was mache ich jetzt nur? Der freundliche Weg war nicht erfolgreich. Ich schalte einen Gang höher und sage ernst: „Wirklich Kinder, es ist spät, räumt jetzt bitte auf!“

„Ich will nicht!“ rufen alle drei.

Ich greife tief in meine Werkzeugtasche der Erziehungsmethoden und versuche es mit Bestechung.

„Wenn ihr jetzt schnell aufräumt, Zähne putzt und euch umzieht, kann ich euch noch etwas vorlesen,“ schlage ich vor.

„Yeah!“ ruft Sarah, aber niemand bewegt sich. Die Mädchen schauen mich erwartungsvoll an, ich schaue erwartungsvoll zurück.

„Nu?“ frage ich.

„Uff, eyn li koach“ (ich habe keine Kraft) sagt Racheli.

Vorlesen ist zwar ganz nett, aber anscheinend nicht wert, dafür aufzuräumen. Mehr habe ich jedoch nicht zu bieten.

Langsam werde ich nervös.

Ich versuche es mit Überredung, aber merke selbst, dass meine Wortwahl und mein Tonfall nicht so ausfallen, wie ich es geplant hatte.

„Wenn ihr nicht sofort euer Zimmer aufräumt, gibt’s Ärger!“

So viel zu meinen Überredungskünsten.

„Sarah, du räumst die Ponys auf, Racheli die Legos und Naomi das Playmobil!“

„Uff!“ sagt Sarah und beginnt im Schneckentempo, die Ponys aufzuheben.

„Racheli, Naomi!“ rufe ich jetzt und schaue die beiden ernsthaft an.

Langsam, gaaaanz langsam bewegen sie sich auf ihre Spielsachen zu und legen jedes kleine Lego-Teilchen einzeln in die Kiste. Wie in Zeitlupe räumen sie ihr Zimmer unter meiner Beobachtung auf. Wenn das so weitergeht, schaffen sie es vielleicht morgen früh noch rechtzeitig in die Schule und den Kindergarten. Da ich möchte, dass sie in der Nacht auch schlafen, feuere ich sie an.

„Nu, nu, nu!“ rufe ich und klatsche in die Hände.

„Wähh!“, weint Naomi, „ich bin müde!“

„Super, wir gehen auch gleich schlafen!“

„Ich will nicht schlafen!“

Ich sammele einige Legos mit meinen Händen auf werfe sie in die Kiste.

„Seht ihr, ist doch ganz einfach!“ sage ich. „Kommt, wir räumen zusammen auf.“

Gefühlte 3 Stunden später haben wir so viel aufgeräumt, dass man die Farbe des Bodens im Kinderzimmer erkennen kann und wir gehen zum nächsten Höhepunkt des Abends über.

„Das sieht doch schon besser aus“, sage ich begeistert. „Jetzt noch Zähne putzen, Schlafanzug anziehen und dann können wir endlich schlafen gehen.“

„Trag mich ins Badezimmer!“ ruft Sarah und hängt sich an meinen Arm.

„Mich auch!“ ruft Naomi

Racheli kündigt gar nicht erst an, was sie vorhat und springt auf meinen Rücken.

Mit Racheli auf dem Rücken und je einem Kind, das ich über den Boden ziehe, bewege ich mich langsam auf das Badezimmer zu.

„Schneller Pferdchen!“ ruft Racheli und tritt mir in die Seite.

Ich laufe etwas schneller und die Kinder lachen vor Freude. Am Waschbecken angekommen schüttele ich sie ab.

„Putzt euch schön die Zähne,“ sage ich und dieses Mal gehorchen die Mädchen. Fast.

Naomi spritzt sich die halbe Zahnpastatube auf ihre kleine Zahnbürste und Racheli haut ihr mit ihrer Zahnbürste auf den Kopf. Sarah hingegen drückt sich nur einen kleinen Tropfen Zahnpasta aus beginnt sich mit der fast trockenen Zahnbürste die Zähne zu putzen.

„Naomi wisch die Zahnpasta vom Waschbecken! Racheli hör auf mit dem Unsinn auf und putz deine Zähne! Sarah, sehr gut, zieh jetzt deinen Schlafanzug an!“

Wie ein General stehe ich da, überwache die Kinder und gebe ihnen Anweisungen, die sie ignorieren. Ich ziehe Sarah den Pulli über den Kopf, da sie schon seit drei Minuten versucht, dort herauszukommen. Naomi kommt auch angetrottet, aber ist zu müde, um sich umzuziehen. Auch ihr ziehe ich den Pulli aus und stopfe ihr den Schlafanzug über den Kopf. Ich helfe ihr auch in die Hose und lasse Naomi erschöpft in ihr Bett fallen.

„Eine weniger,“ denke ich, aber der Krieg ist noch nicht gewonnen.

„Sarah, du bist noch nicht umgezogen, steh sofort wieder auf und zieh deinen Schlafanzug an!“

„Äh, oh, eyn li koach.“

Ich schließe die Augen und atme tief durch. Mein linkes Auge blinkt und will nicht geschlossen bleiben. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und versuche meine Nackenmuskeln zu entspannen. Nimmt das nie ein Ende?

Wo ist eigentlich Racheli?

„Sarah, zieh dich sofort an!“ rufe ich und mache mich auf die Suche nach Racheli.

Racheli steht noch im Bad auf dem Hocker und putzt sich lieb die Zähne vor dem Spiegel.

„Wie lange putzt du denn die Zähne? Komm schlafen.“

„Muss nur noch oben putzen, bin gleich da!“ sagt Racheli mit Schaum im Mund.

Ich gehe zurück ins Kinderzimmer, wo Naomi und Sarah im Bett liegen, aber Sarah noch keinen Schlafanzug angezogen hat.

„SARAH!“

Sie hatte wohl schon fast geschlafen, denn sie springt auf und schaut mich böse an. Ich nehme mir ihren Schlafanzug und ziehe ihn ihr an, während sie versucht wieder einzuschlafen.

Zwei sind also fertig und liegen im Bett, aber von Racheli ist immer noch nichts zu sehen. Ich gehe zurück ins Bad, wo sie sich immer noch voller Enthusiasmus die Zähne putzt.

„Racheli, du putzt dir schon seit fast zehn Minuten die Zähne, es reicht wirklich, komm schlafen!“

Sie spült sich schnell den Mund aus und lässt sich von mir ins Kinderzimmer tragen. Ich versuche gar nicht erst viel zu diskutieren und ziehe sie selbst um. Racheli lässt das geschehen, während ich schon dem Ende meines Arbeitstags entgegenschaue. Nur noch diese eine abfertigen und mein Feierabend beginnt.

„Erzähl uns eine Geschichte!“ ruft Racheli und die anderen beiden sind sofort wieder hellwach.

„Ja, eine Geschichte!“ ruft nun auch Sarah.

Naomi schaut mich erwartungsvoll mit großen Augen an.

„Es ist wirklich spät, wir haben ganz lange für alles gebraucht und jetzt müsst ihr schlafen, tut mir leid“, erkläre ich.

„Du hast es versprochen!“ ruft Racheli beleidigt.

„Geschichte!“ schreit Sarah.

Ich würde jetzt am liebsten weinen.

„Nur eine kurze,“ versucht Naomi zu vermitteln.

„Ok, ich erzähle euch eine Geschichte,“ sage ich mit einem etwas genervteren Tonfall als ich wollte.

„Es war einmal ein fieser Bösewicht, der alle Juden töten wollte. Er hat uns großes Leid angetan, aber dann hat uns Gott gerettet. Seitdem machen wir an diesem Tag ein großes Festmahl. Gute Nacht!“ sage ich und stapfe trotzig davon.

„Hey, das ist doch keine Geschichte!“ höre ich aus dem Kinderzimmer.

„Wer war der Bösewicht!?“

„Komm zurück!“

„Paaapaaa!“

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