Arbeit im israelischen High Tech – ein Erlebnisbericht

In Tel Aviv treffen sich die High Tech Pioniere Israels

Ich habe vor kurzem angefangen in einer israelischen High Tech Firma zu arbeiten. Das Unternehmen hat eine App für Menschen mit chronischen Krankheiten entwickelt und expandiert nach Deutschland. Ich bin der Deutsche in der Firma, der übersetzt, überprüft und alle deutschen Aspekte der Operation übersieht.

Was im Büro zuerst ins Auge springt, sind die strengen Kleidungsvorschriften. Jegliche Art von unbequemer Kleidung ist verboten, T-Shirts mit lustiger Aufschrift müssen mindestens an zwei Tagen pro Woche getragen werden und wer im Sommer (der in Israel 11 Monate dauert) mit Socken erwischt wird, kann gleich seinen Browserverlauf löschen und sich einen neuen Job in einer Behörde suchen. Während die Frauen jedoch schicke Schühchen tragen, ist es für Männer schwieriger, sexy Schuhwerk zu finden und die meisten tragen Sandalen von Teva, dem israelischen Birkenstock.

Wer bequeme Schuhe trägt, kann besser arbeiten

Da es sich um eine High-Tech-Firma handelt, sind die meisten Mitarbeiter Programmierer und von denen sind die meisten Männer. Programmierer sind ja nicht nur in Israel eine Klasse für sich, ich kann mir gut vorstellen, dass T-Shirts mit lustigen Sprüchen weltweit die bevorzugte Uniform für Computer-Nerds sind.

Wie in meinem orthodoxen Stadtviertel, hat sich unter den Männern in meiner High-Tec- Firma ein Dresscode etabliert, der von der Mehrheit der Menschen freiwillig eingehalten wird. Viele Orthodoxe tragen gerne einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd, während der typische High-Tech-Mitarbeiter gerne bequeme Sandalen trägt, dazu eine Jeanshose und Shirt mit Aufschrift. Der Kopf des israelischen Programmierers ist oft kahlgeschoren, während das Gesicht mit kurzen Bartstoppeln verziert ist. Eine Brille wird von Leuten, die den ganzen Tag vor dem Computer sitzen ebenso oft getragen, wie von Leuten, die den ganzen Tag vor dem Talmud sitzen.

Die Atmosphäre im Büro könnte man insgesamt als freundlich, familiär, aber zielgerichtet beschreiben. Freundlich und familiär, weil es eben Israelis sind, die hier arbeiten. Wir sind ein freundliches Volk und schließen unsere Mitmenschen sofort ins Herz. Zielgerichtet, weil es eine High-Tech-Firma ist. Wir konkurrieren mit internationalen Unternehmen im hart umkämpften Markt der medizinischen Apps und müssen deshalb höchst effektiv und effizient arbeiten.

Bei besonderen Anlässen dürfen wir eine längere Mittagspause machen.

Ich denke, Freundlichkeit und eine familiäre Atmosphäre sind große Vorteile für jedes Unternehmen. Ich hatte als Neuling in der Firma keine Angst, Fragen zu stellen und dafür ausgelacht zu werden, ich hatte sogar den Mut, eigene Ideen vorzuschlagen. Dabei hatte ich zwar manchmal allerdings schon das Gefühl, dass sich meine Kollegen ein Lachen unterdrücken mussten. Aber es war kein boshaftes Lachen, sondern eins, das ich bei meinen Kindern auch habe, wenn sie mir von ihren grandiosen Ideen erzählen.

Wenn eine freundliche und familiäre Atmosphäre also nicht dazu führt, dass man seine Arbeit nicht ernst nimmt, sondern einen fruchtbaren Gedankenaustausch erlaubt, kann das sehr gut für ein Unternehmen sein. Dementsprechend erfolgreich ist auch meine Firma. Wir übertreffen unsere Quartalsziele regelmäßig und verdienen viel Geld. Nicht ich persönlich. Aber die Kollegen im oberen Management, die Gründer, die Investoren, der Staat, der Vermieter unserer Büroräume und die Restaurants, bei denen wir 80 Mitarbeiter täglich unser Mittagessen bestellen. Da in Israel eine hohe Nachfrage nach Programmierern herrscht, verdienen auch diese Kollegen viel Geld. Also eigentlich alle außer mir.

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