Welche Religion sollten Nichtjuden haben?

Fragt man einen Moslem oder Christen, welche Religion die Menschheit haben sollte, ist die Antwort ganz klar. Bei Juden ist die Sache jedoch etwas anderes, denn die jüdische Religion richtet sich nur an das jüdische Volk und hat nicht das Ziel, alle Menschen der Welt zum Judentum zu bekehren.

Andererseits ist der jüdische Gott der Schöpfer des Universums, Er ist also auch für Nichtjuden der Gott, der keine anderen Götter neben ihm duldet. Weder das Neue Testament noch der Koran, oder Das Kapital haben den Tanach (5 Bücher Mose, Propheten und Schriften) obsolet gemacht. Wenn Nichtjuden also keine Juden sein sollen und auch keine Christen, Moslems und schon gar nicht Götzenanbeter, was sollen sie dann sein?

Um diese Frage zu beantworten, wenden wir uns an den zweiten Vater der Menschen. Der erste Vater war Adam, der nur einen einzigen Job hatte: Nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Der zweite Vater war Noah, der die Erde mit seiner Familie nach der Sintflut bevölkerte. Noah und seine Nachkommen hatten einen etwas umfangreicheren Job als Adam.

Genauso wie die Vertreibung aus dem Garten Eden die Welt veränderte, tat es auch die Sintflut. Ab jetzt hatte die Menschheit eine neue Mission, die Noah und seiner Familie offenbart wurde.

Das Orchester der der Menschheit

Rabbi Tzvi Freeman beschreibt diese Idee folgendermaßen:

„Können wir ein Bewusstsein finden, das es jedem von uns ermöglicht, sein einzigartiges Erbe zu bewahren und gleichzeitig im Einklang mit dem großen Orchester der Menschheit zu spielen?

Es gibt eine uralte Lehre, die keine Gotteshäuser, keine Priester und keine Bekehrungszeremonie kennt. Niemand muss sein Erbe aufgeben, um sie anzunehmen; man muss nur zurückkehren, tief graben, zurück zu den wesentlichen Wahrheiten, die in jedem der Menschheit bekannten Glaubenssystem vergraben sind, und die äußeren Schichten ablegen, die ihre Botschaft möglicherweise verdreht haben.

Vielleicht haben Sie schon von dieser Lehre gehört, die über die Jahrtausende hinweg vom jüdischen Volk bewahrt und weitergegeben wurde – obwohl sie sogar älter ist als dieses alte Volk: Dass alle Religionen aus einem einzigen Samen entsprungen sind und eine einzige Wurzel haben.

Nach dieser Überlieferung pflanzte Noah, unser aller Vater, diesen Samen, ein Geschenk, das er vom Schöpfer aller Dinge erhielt. Es basiert auf einem Regelwerk, das er von Adam erhalten hatte und das für Noahs Zeit erneuert und erweitert wurde. Es ist ein Leitfaden aus dem Jenseits, der der Menschheit zeigt, wie sie eine nachhaltige Welt schaffen kann, die nie wieder der Zerstörung ausgesetzt sein wird.

Und es ist eine Lehre, die viele Stimmen in Harmonie bringt, denn sie ist die Essenz von allen Menschen, verleugnet aber niemandem seine einzigartige Schönheit. Denn wenn man die Wahrheit in seinem eigenen Hinterhof gefunden hat, heißt das nicht, dass niemand sonst einen Hinterhof haben darf. Vielmehr befindet sich in jedem Hinterhof eine weitere leuchtende Glut der Noah bekannten Wahrheit. Jedes Volk hat eine bestimmte Weisheit, eine bestimmte Schönheit kultiviert und entwickelt, die anderen fehlt.

Denn in diesen verborgenen Wahrheiten liegt alles, was wir brauchen, um gemeinsam als eine harmonische Menschheit zu leben, die einen gesunden Planeten Erde umarmt.

Hier sind also sieben Gesetze, die keine relativen Wahrheiten sind, die sich mit dem Wandel der Gesellschaft verändern können. Sie sind absolut; ein fester Grund, auf dem die Welt feststehen kann.“

Die sieben Gesetze Noahs

Gott braucht keine Gebete oder Opfer des Menschen, auch keine Meditation auf einer Bergspitze im Himalaya. Er will, dass die Menschheit in Harmonie zusammenlebt und deswegen drückt sich der Dienst an Gott mit Gesetzen und Geboten aus, die den Menschen dazu bringen sollen, die richtigen Töne im Orchester der Menschheit zu finden.

Adam hatte ein Gebot, die Juden haben 613 Gebote und Noah hatte sieben, die in den 613 enthalten sind. Hier also die sieben Gesetze Noahs, die für alle Menschen gelten und mit denen man eine harmonische Welt schaffen kann:

  1. Entweihe die Einheit Gottes nicht auf irgendeine Weise.

Erkenne an, dass es einen einzigen Gott gibt, der sich darum kümmert, was wir tun, und der wünscht, dass wir uns um seine Welt kümmern.

  • Verfluche deinen Schöpfer nicht.

Egal wie wütend du sein magst, lass es nicht verbal an deinem Schöpfer aus.

  • Morde nicht.

Der Wert des menschlichen Lebens kann nicht gemessen werden. Ein einziges Menschenleben zu zerstören, bedeutet, eine ganze Welt zu zerstören – denn für diese Person hat die Welt aufgehört zu existieren. Daraus folgt, dass du durch die Erhaltung eines einzigen menschlichen Lebens ein ganzes Universum erhältst.

  • Sei nicht sexuell unmoralisch.

Inzest, Ehebruch, Vergewaltigung und homosexuelle Beziehungen sind verboten.

Die Familieneinheit ist das Fundament der menschlichen Gesellschaft. Die Sexualität ist die Quelle des Lebens, und deshalb ist nichts heiliger als der sexuelle Akt. Wenn sie missbraucht wird, kann nichts erniedrigender und zerstörerischer für den Menschen sein.

  • Stiehl nicht.

Was auch immer du in dieser Welt an Vorteilen erhältst, achte darauf, dass keiner davon auf unfaire Weise auf Kosten eines anderen geht.

  • Iss nicht ein Glied eines noch lebenden Tieres.

Respektiere das Leben aller Geschöpfe Gottes. Als intelligente Wesen haben wir die Pflicht, anderen Lebewesen keine unangemessenen Schmerzen zuzufügen.

  • Errichte Gerichtshöfe und sorge für Gerechtigkeit in unserer Welt.

Mit jedem kleinen Akt der Gerechtigkeit stellen wir die Harmonie in unserer Welt wieder her und bringen sie in Einklang mit einer himmlischen Ordnung. Der noachidische Kodex legt fest, dass Gesellschaften verpflichtet sind, sich an die Gerechtigkeit zu halten, indem sie ein System von gerechten Gerichten einrichten.

Glaube ohne Religion

Maimonides erklärt, dass jeder Mensch, der diese Gesetze treu befolgt, sich einen Platz im Himmel verdient hat und eigentlich hält jeder zivilisierte Mensch die oben genannten Gesetze bereits ein. Eine große Ausnahme bildet heutzutage das Gebot der sexuellen Moral, da Homo, Queer, Trans und so weiter deutliche Verstöße gegen dieses Gesetz darstellen. Besonders, wenn diese Vergehen auch noch staatlich geschützt und sogar gefördert werden und damit noch ein weiteres Gebot übertreten.

Einen Haken hat die Geschichte jedoch, denn die Grundlage der Gebote Noahs ist der Tanach und die Autorität über die Auslegung dieser Schriften liegt bei den Juden, genauer gesagt, bei den Rabbinern, die die noachidischen Gebote im Talmud diskutieren. Wie die Juden brauchen die „Bnei Noach“ (die Söhne Noachs), die rabbinische Führung, um ihre Gesetze auszulegen und anzuwenden.

Das Gebot Gerichtshöfe einzusetzen, beinhaltet zum Beispiel 20 der 613 Gebote der Juden. Dazu gehört das Verbot der Ernennung eines unqualifizierten Richters und das Verbot der Anhörung einer der Parteien in Abwesenheit der anderen Partei.

Ein Bekannter hat mir von einem befreundeten Rabbiner erzählt, der wegen einer sehr speziellen Operation für seine Tochter einige Wochen in einer Kleinstadt in Texas verbringen musste. Dort gab es eine noachidische Gemeinde, die ihn gleich zu ihrem Rabbi machte.

Die Bnei Noach sind keine Juden zweiter Klasse, so wie ich mich nicht als Jude zweiter Klasse fühle, weil ich nicht die Privilegien eines Kohen habe. Jeder Mensch hat seinen Platz im Orchester der Menschheit und wir müssen das Beste aus unserer eigenen Situation machen.

Ich hatte einmal einen Konvertiten kennengelernt, der mir sagte, er wäre kein Jude geworden, wenn er von den noachidischen Geboten gewusst hätte. Das kann ich sehr gut verstehen, denn es ist sehr anstrengend (und teuer) ein Jude zu sein.

Ein Noachide kann also ein gottgefälliges Leben auf Basis der Bibel führen. Dafür benötigt er keinen Vermittler. Er kann eine Gemeinde gründen, einen Gebets-Gottesdienst entwerfen und ein Gerechter unter den Nationen sein. Bei Fragen über Gesetze und die Bibel wendet er sich an einen Rabbi, aber ansonsten steht nichts zwischen ihm und Gott.

Ich habe etwas herumgegoogelt und es gibt über den Noachidismus sehr viele Infos im Internet. Einige Quellen, in denen man mehr über die Bnei Noach erfahren kann, sind zum Beispiel:

https://judentum.online/bnei-noach/

https://noahideworldcenter.org/de

https://de.wikipedia.org/wiki/Noahidismus

https://sukkatshalom-bneinoach.com/de/

2 Kommentare zu „Welche Religion sollten Nichtjuden haben?“

  1. Boker tov lieber Michael,

    herzlichen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Ich selbst habe mich nach langem Ringen für den Weg des Noachiden bzw. Ger toschav (wobei dies noch ein offizielles Bekenntnis vor einem Beit Din erfordert) entschieden. Es war ein langer und steiniger Weg nach über 17 Jahren im bewusst christlichen Glauben seit meinem 18. Lebensjahr (14 Jahre als evangelikaler Christ und 3 Jahre als unitarischer Christ). Es brachte und bringt viel Studium des Tanach, der jüdischen Weisheit, des Hebräischen, der jüdischen Geschichte und der Kirchengeschichte mit sich.

    Es ist wie ein nach Hause Kommen. Niemand steht mehr zwischen mir und HaSchem und die orthodox-jüdische Tradition ist das feste Fundament dieses Lebenswandels. Schon als trinitarischer Christ durfte ich früh mit jüdischem und rabbinischem Denken in Berührung kommen. Vorwiegend der Tanach und die jüdische Weisheit ließen schon damals mein Verständnis und meine Liebe wachsen.

    Viel unnötiger Balast ist von den Schultern gefallen. Ich muss nicht mehr Jesus und Paulus irgendwie in einen jüdischen Kontext pressen, wenn die Mehrheit der Gemeinde davon nichts wissen will bzw. es ganz anders sieht. Ich muss nicht mehr die offenscihtlichen Widersprüche zwischem dem jüdischen Tanach und dem griechischen „Neuen Testament“ (welche Anmaßung) glätten. Ich kann befreit und ganz zu Israel stehen und die jüdischen Weisen als Lehrer annehmen.

    Das NT ist die Grundlage aller Denominationen (auch der unitarischen) und damit leider auch die Grundlage für den Anti-Judaismus im „christlichen Abendland“. Dies zieht sich innerhalb dieser Schriften von Jesus („Kinder des Satans“) über Paulus („Feinde aller Menschen“) bis hin zur Offenbarung („Synagoge des Satans“). Vom Wüten der „Kirchenväter“, der „Reformatoren“ und der heutigen „kirchlichen Würdenträger“ ganz zu schweigen. Nicht umsonst wird Rom (und mit ihm das „katholische“ Christentum) in der jüdischen Tradition mit Esaw identifiziert. [„Katholisch“ wird hier im „allgemeinen“ Sinn verstanden, bezieht also auch die „protestantischen“ Kirchen mit ein.]

    Aber selbst in den Israel freundlich gesinnten Gemeinden spielte und spielt immer der Gedanke an „Mission“ und ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den „blinden“ Juden (Paulus an die Korinther) eine gewichtige Rolle. Am gefährlichsten sind in meinen Augen die „messianischen Juden“.

    Wie gut, dass HaSchem langmütig und geduldig ist (weit mehr als wir) und den Raum zur Teschuva lässt. Ich habe mir übrigens erlaubt deinen Blog auf meiner Homepage zu verlinken. Dort können interessierte Leser mehr über die „frommen Nichtjuden“ in Erfahrung bringen [https://der-eine-gott.de]. Denn die 7 Gebote enthalten so viel mehr an Tiefe, wenn sie im Rahmen der jüdischen Tradition gelernt werden. Zum Beispiel beinhaltet das Verbot des Mordens das Verbot der Abtreibung, der aktiven Sterbehilfe und im übertragenen Sinn den „Rufmord“. Außerdem werden sie in der Regel um weitere grundlegende Gebote (Mitzvot) ergänzt (u.a. Ehren der Eltern, Wohltätigkeit, Gebet, Pflegen der Beziehung zu HaSchem).

    Möge HaSchem dir, deiner Familie, ganz Israel, allen Gottessuchern und Nochiden auf der Welt Freude, Weisheit und Kraft schenken. Und möge der wahre Maschiach bald kommen. Bis dahin liegt es an uns HaSchem Freude zu machen und unseren Nächsten ein Segen zu sein.

    Schalom
    Michael

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert