Das Geheimnis eines harmonischen Familienlebens

Schulferien, Feiertage und Home-Office sind gefährlich für eine Ehe.

Im Idealfall, also wenn alle Juden religiös wären und die biblischen Gebote einhalten würden, würden wir niemals Kriege führen. Nicht nur, weil wir eine friedliche Religion sind, sondern auch, weil wir einfach keine Zeit dafür hätten.

Der wöchentliche Schabbat und die vielen Feiertage im Judentum beschäftigen uns so sehr, dass keine Zeit und Kraft für die Eroberung der Welt bleiben, auch wenn unsere Kritiker gerne das Gegenteil behaupten.

Vor einem Feiertag muss eingekauft, gekocht, geputzt und die Kinder müssen schön eingekleidet werden. Damit der Feiertag auch eine Bedeutung für den Menschen hat, sollte er sich zur Vorbereitung mit seinen Traditionen, seiner Symbolik und seinen mystischen Geheimnissen beschäftigen. Einige Feiertage, wie Pessach und Sukkot benötigen sehr viel materielle Vorbereitung, während einige weniger anstrengend sind, wie Jom Kippur, für den man lediglich viel trinken und viele Weintrauben essen muss (sie geben ihre Flüssigkeit langsamer im Magen ab, sagt man).

All dies und noch viel mehr beschäftigt einen jüdischen Juden im Laufe des Jahres und wahrscheinlich führten die antiken Könige Israels ihre Kriege nur, weil sie Bedienstete hatten, die sich um alles kümmerten.

Meine Vorbereitung

Ich stecke gerade mitten in den Vorbereitungen für Sukkot. Nachdem ich gestern durch die halbe Stadt gelaufen bin, um meine vier Arten zu kaufen, habe ich mich heute in den Supermarkt gewagt. Ich musste unser Einkaufszentrum zwei Mal umfahren, um einen Parkplatz zu finden, was kein gutes Vorzeichen für ein schnelles Shopping war. Noch düsterer wurde es, als es beim Eingang des Supermarkts keine Einkaufswagen mehr gab.

Glücklicherweise hatte ich zwei große Einkaufstaschen mitgebracht, in die ich meine Einkäufe stopfte. Nach einigen Flaschen Saft, Konserven, Hühnerbeinen, Milch und 72-Stundenkerzen, zog ich meine Einkaufstaschen auf dem Boden hinter mir her. Das Gute in Israel ist, dass man sich hier merkwürdig verhalten kann, ohne dass es jemanden stört.

An den Selbstbedienungskassen gab es eine lange Schlange, die zwei Schwänze hatte, denn sie hatte sich hinten geteilt. Es gab also zwei Schlangen, an denen die Leute zum Bezahlen anstanden, was auch für mich neu war. Ich stellte mich an die kürzer scheinende Schlange und hatte gut gewählt. Die stämmige, chassidische Frau vor mir, deren kleine Tochter einen Kinderwagen mit einem Baby hinter ihr herschob, machte sich energisch dafür stark, dass unsere Schlange den Vorrang bekam. Kurz bevor die Chassidin an der Reihe war, forderte eine stämmige sephardische Frau aus der anderen Schlange auch plötzlich Anspruch auf eine der Kassen.

Es begann eine laute Diskussion und ich erwartete einen Sumo-Kampf der Kulturen zwischen Osteuropa und Nordafrika. Leider kam es nicht dazu, denn zwei Kassen wurden gleichzeitig frei und die beiden gingen in Frieden auseinander.

Schließlich hatte ich es geschafft mit meinen schweren Taschen aus dem Supermarkt zu entkommen und musste sie nur noch in mein weit weg geparktes Auto schleppen. Zu Hause erwarteten mich die Kinder, die heute ihren ersten Sukkot-Ferientag haben.

„Könnt ihr die Sachen aus den Taschen herausholen?“ fragte ich.

„Uff, wir spielen doch gerade“, antwortete Sarah.

Hatte ich erwähnt, dass ich nach dem Einkaufs-Abenteuer etwas verschwitzt (es sind 25 Grad hier) und genervt war? Sarah wusste es auch nicht, aber sie fing gerade noch meinen bösen Blick ein, um noch rechtzeitig aufzustehen und mit dem Ausladen zu beginnen. Sie hat sich und ihren Schwestern einen Vortrag über die Bedeutung des familiären Zusammenhalts und des Gebots, die Eltern zu ehren, erspart.

Frieden im Haus

Vor meiner Hochzeit hatte mich ein Rabbi zur Seite gezogen und gefragt, „wie kannst du dir eine harmonische Ehe aufbauen?“

„Ähm, viel zuhören, keine Lösungen anbieten und Befehle befolgen“, antwortete ich.

„Das ist nicht schlecht, aber weißt du was noch besser hilft? Talmud lernen!“ sagte der Rabbi.

„Hä, wie das denn?“ fragte ich zurück.

„Weil du dann hier in der Synagoge sitzt und lernst und nicht zu Hause bist!“ antwortete der Rabbi und gab mir einen Klaps auf die Schulter.

Dieser Rat ist besonders wichtig für Väter, die zu Hause arbeiten, wie ich zumeist. Also habe ich mich heute nach dem Einkaufen in mein Büro verzogen, in dem ich jetzt sitze und mir meine Probleme vom Herzen blogge.

Zwischendurch hat mir die geduldigste Ehefrau von allen geschrieben, dass die Freunde unserer Kinder zu Besuch gekommen sind und sie das Geschrei nicht mehr lange aushält. Sie tut mir schon leid, aber ich kann nichts für sie tun. Wäre ich zu Hause geblieben, gäbe es jetzt zwei genervte Eltern und dieser Blog-Eintrag wäre nicht entstanden.

Dafür werde ich bald entspannt nach Hause kommen und der tapfersten Ehefrau von allen eine Pause gönnen. Leider jedoch nicht ganz so bald, denn vorher habe ich noch ein zweistündiges Talmud-Lernen in der Synagoge um die Ecke.

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