“Sarah, zieh bitte deinen Schlafanzug an”.
„Nur, wenn du mir 20 Schekel gibst!“
„Wie bitte?“
„Ok, ok, 15 Schekel!“
„Sarah, sei keine Chuzpanit (freches Mädchen), Racheli zieh dir auch deinen Schlafanzug an!“
„Ich mache es für 10 Schekel!“
„Was ist denn los mit euch? Ihr zieht euch jetzt sofort eure Schlafanzüge an!“
„Na gut, für 100 Schekel, he he he!”
“Sehr lustig. Naomi zieh dir auch deinen Schlafanzug an.“
„Ok“
So in etwa verlaufen unsere abendlichen Verhandlungen über die Schlafanzüge der drei Mädchen und wie man erkennt, haben Sarah (10) und Racheli (8) ihre Liebe fürs Geld entdeckt. Naomi (7) zieht sich ihren Schlafanzug noch kostenlos an.
Sarah und Racheli zählen täglich ihre Ersparnisse und suchen nach Möglichkeiten Geld zu bekommen, wenn auch nicht unbedingt zu verdienen. Sie sammeln Pfandflaschen, die sie hoffentlich auch irgendwann abgeben werden, sie haben versucht alte Spielsachen zu verkaufen und natürlich bitten sie ihre Eltern immer wieder um etwas Kleingeld.
Da kommt Chanukka genau richtig, denn jüdische Kinder bekommen an diesem Feiertag Chanukka-Gelt, mit t, wie man auf Jiddisch schreibt. In diesem Jahr haben Omi und Opi aus Deutschland jedem Kind die unglaubliche Summe von 150 Schekeln geschenkt, von denen sie sich Geschenke für Chanukka kaufen sollen. Sie haben die großen Scheine bereits vor Chanukka bekommen und haben sie ehrfürchtig in ihre Brieftaschen gelegt, nur um sie mehrmals täglich herauszunehmen und zu bewundern.
Da Chanukka am Donnerstagabend begann, mussten die Kinder bis zum Sonntag warten, um mit ihrem Vermögen einkaufen zu gehen. Bis dahin haben sie ihre Geldscheine betrachtet und diskutiert, was sie damit kaufen sollen.
Am Sonntag bin ich endlich mit ihnen zum Spielzeugladen gefahren. Die drei aufgeregten Mädchen liefen vom Parkplatz bis zum Eingang des Geschäfts, aber schalteten sofort in den Kriechgang, als sie drinnen waren.
Ehrfürchtig wie in einem Museum schlichen sie durch die Reihen der Barbies, Paw Patrols und komischen Rieseneiern, aus denen Einhörner schlüpfen, die man dann kämmen kann. Die große Auswahl machte es den Mädchen schwer etwas auszusuchen, so dass sie sich entschieden nichts auszusuchen und stattdessen alles anfassten und ausprobierten.
„Hallo, wir sind schon eine Stunde hier und ihr habt euch nicht entschieden! Wir müssen auch irgendwann wieder nach Hause, bitte sucht euch jetzt ein Spielzeug aus,“ sagte ich.
„Ich weiß nicht, was ich nehmen soll!“ Schrie Sarah vor Herzschmerz.
„Papa, Ich will das!“ Sagte Naomi und zeigte mir eine LOL Puppe, die wie eine Prostituierte aussah und 250 Schekel kostete.
„Auf keinen Fall, die ist ja total hässlich!“ Stieß ich entsetzt aus.
„Papa, komm, ich habe etwas gefunden!“ Rief Racheli von der anderen Seite des Geschäfts. Sie hatte in der Bastelabteilung einen Eimer mit Schleim zum Selbermachen gefunden. Racheli ist unsere verrückte Wissenschaftlerin, die gerne Experimente macht und dabei die gesamte Wohnung zu ihrem Labor macht. Schleim-Experimente würden ihr sicher Spaß machen, aber das Abschrubben sicher nicht.
Da ich unseren Museumsbesuch jedoch beenden wollte, erlaubte ich ihr den Eimer zu kaufen, der beachtliche 100 Schekel kostete.
Wer, wie ich, die Faszination des Schleims nicht versteht, kann sich folgendes Video ansehen, das 167 Millionen Mal auf YouTube aufgerufen wurde:
Inzwischen hatte Naomi eine andere Puppe gefunden, die wie eine normale Person aussah und es blieb nur noch Sarah. Mit zehn Jahren ist sie eigentlich schon zu groß für Puppen, aber wir wussten nicht, was sie sonst kaufen könnte. Sie entschied sich nach etwas Druck von mir für ein komisches Einhorn-Ei, aber sie machte dabei ein so trauriges Gesicht, dass ich mit ihr noch einmal zu suchen anfing.
Wir fanden jedoch nichts, das ihr gefiel und sie wollte schon nichts mehr kaufen und das Gelt lieber sparen. Eigentlich eine gute Idee, aber wenn die anderen später mit ihren Geschenken spielen würden, wäre Sarah traurig. Sie ließ sich schließlich dazu überreden, auch einen etwas kleineren Eimer mit Schleim zu kaufen, der 60 Schekel kostete. Sie hatte zwar kein tolles Geschenk gekauft, aber noch 90 Schekel übrig und das freute sie.
Auf dem Heimweg waren alle Mädchen glücklich, jedoch mehr darüber, dass sie noch Gelt übrighatten, als über die Geschenke.
Ich hatte hingegen ein kleines Problem, das immer größer wurde, je länger ich darüber nachdachte. Wie sollte ich der saubersten Ehefrau von allen beibringen, dass ich zwei Eimer Schleim gekauft hatte, wovon einer experimenteller Atomschleim war, der in die falschen Hände geraten war. Ein apokalyptisches Desaster erwartete mich zu Hause.