Tagebuch aus dem Krieg – Das Land brannte, während ich tanzte

8. Oktober 2023 – Der Krieg hat offiziell begonnen, wie wird sich das Leben in Israel verändern?

„Hörst du auch die Sirenen und Explosionen?“ fragte die besorgteste Ehefrau von allen, als ich am Schabbatmorgen meine Augen öffnete.

„Nö,“ sagte ich und drehte mich nochmal zur Seite.

Aber dann hörte ich es auch und es schien nicht enden zu wollen. Sirenen heulten in der Ferne, gefolgt von Explosionen. Wir hatten ähnliches in Bet Shemesh schon erlebt und ich machte mir keine großen Sorgen, „der Iron Dome hat alles im Griff“, dachte ich.

Unbeschwert machte ich mich also auf den Weg in die Synagoge, wo mir stundenlange Gebete und Getanze bevorstanden, denn es war Simchat Tora (Freude an der Tora), der Feiertag, an dem wir mit der Tora tanzen und uns große Mühe geben, sehr froh zu sein. Wir zeigen diese Freude, indem wir mit den Torarollen in der Synagoge tanzen, den Kindern Süßigkeiten geben und regelmäßig ein „Le Chaim“ anstoßen.

Gestern war es jedoch anders, denn wir wurden dauernd von Sirenen unterbrochen, so dass wir uns in das Innere der Synagoge zurückziehen mussten, wo es sicherer war. Ein junger Mann musste plötzlich nach Hause laufen, als er zum Reservedienst im Norden eingezogen wurde. „Im Norden?“ wunderte ich mich, wir wurden doch aus dem Süden beschossen.

Der Libanon ist ein so schönes Land. Es wäre schade, wenn es zerstört würde.

Langsam wurde mir bewusst, dass es sich um eine größere Serie von Anschlägen handeln musste, aber die Party in der Synagoge ging weiter. Nie wäre uns in den Sinn gekommen, dass gerade eine Invasion stattfand und die Hamas Orte in Israel erobert hatte!

Als ich gegen Mittag nach Hause kam, erzählten mir die Kinder aufgeregt, dass sie sechs Mal in den Sicherheitsraum laufen mussten. So oft hatte ich die Sirene gar nicht gehört. Anders als ich, waren die Kinder sehr nervös. Sie hatten nicht getrunken und getanzt, sondern saßen stundenlang im dunklen Sicherheitsraum.

Sobald der Feiertag zu Ende war, konnten wir die Nachrichten lesen, aber glauben konnten wir sie nicht. Hamas-Terroristen waren in das unbesiegbare Israel eingedrungen, haben hunderte Menschen getötet und Dutzende Geiseln genommen? Das konnte einfach nicht sein.

Während mein Gehirn diese Tatsache noch verarbeitete, mussten die Kinder ins Bett gebracht werden, was keine Leichte Aufgabe war, denn sie hatten große Angst. Sie spürten wohl die Nervosität ihrer Eltern und weigerten sich, in ihrem Zimmer zu schlafen. Sie wollten im Ausklappsofa im Sicherheitsraum schlafen.

Wenigstens haben wir eine Klimaanlage im Bunkerzimmer.

Nach einigen vergeblichen Versuchen, sie in ihren eigenen Betten zum Schlafen zu bringen, durften sie schließlich im Sicherheitsraum schlafen, was bei einem weiteren Alarm wohl auch sinnvoller wäre.

Glücklicherweise gab es in der Nacht keinen weiteren Raketenalarm, so dass ich in Ruhe über alles nachgrübeln konnte.

Was hat mein Grübeln ergeben? Dass es um Israel sehr schlecht aussieht.

Meine Experten-Einschätzung

Während ich dies schreibe, wurden über 600 Tote gezählt und es wurden wahrscheinlich über 100 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen entführt. Die Geiseln sind das Schlimmste an der Geschichte. Ihre Existenz wird es der Armee unmöglich machen, einen Kompromiss mit der Hamas zu schließen, wie sie es bisher immer getan hat.

Gleichzeitig wächst das Risiko eines Mehrfrontenkriegs mit der Hisbollah im Norden, der Fatah in Judäa und Samaria (dem sogenannten Westjordanland), den israelischen Arabern unter uns und auch die Taliban wollen angeblich an der Party teilhaben. Ist die Armee nach dem schrecklichen Versagen am Samstag in der Lage, solch einen Krieg zu führen? Bis vor kurzem hätte ich diese Frage als lächerlich abgetan.

Ich glaube auch, dass der Iran hier die Fäden zieht und es geschafft hat, Israel auszutricksen und uns eine blutige Nase zu schlagen. Die Fäden reichen jedoch noch viel weiter als bis in den Gazastreifen und es ist unwahrscheinlich, dass der Angriff vom Schabbat nicht Teil eines größeren Plans ist.

Die Schulen in Israel bleiben bis auf weiteres geschlossen, ein weiteres Zeichen für einen größeren Konflikt.

Wir bereiten uns also auf einen längeren Krieg vor, der erst richtig beginnt, wenn die Hisbollah im Libanon mit einsteigt. Ich hoffe, die Regierung hat einen Plan für diesen Fall, denn die Terroristen dort haben über 150.000 Raketen auf Israel gerichtet.

Aus jüdischer Sicht…

Da die Armee von der säkularen, linksgerichteten, aschkenasischen Elite Israels kontrolliert wird, kann man ihr ein „aus jüdischer Sicht“ entgegenhalten.

Die Tora hat einen klaren und eindeutigen Ansatz für den Kampf gegen die Feinde Israels. Alle Feinde, die sich weigern, die jüdische Souveränität über das gesamte Land Israel anzuerkennen, und die sich gegen Israel erheben, weil sie sich weigern, Frieden zu schließen, sind zu vernichten, ohne dass es dabei zu lähmenden Erwägungen kommt, wie zum Beispiel, dass unschuldige Zivilisten zu Schaden kommen.

Wir würden es gerne anders haben, aber um langfristig im Frieden zu leben, muss man jetzt die Basis dafür legen, was bedeutet, die Hamas endgültig zu zerstören. Genauso wie die Hisbollah, die Fatah und alle anderen, die uns angreifen, oder auch nur damit drohen.

Das ist eine große und schwere Aufgabe und ich bin mir nicht sicher, dass wir die Führung haben, die im Stande ist, diese notwendigen Schritte zu ergreifen.

Andererseits gibt es ein Muster in der jüdischen Geschichte: Bevor es besser wird, wird es erst einmal viel schlimmer.

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