In einer lang vergangenen Zeit, als Rezepte nicht im Internet verfügbar waren und auf YouTube unzählige perfekt aufgenommene Videos bei jeder Suchanfrage aufpoppten, kochte man das, was man von seinen Eltern gelernt hatte.
Als ich klein war, wurde bei uns zu Hause jüdisch-russisch gekocht. Heute als Eltern bereiten die talentierteste Ehefrau von allen und ich alles mögliche vor, aber selten etwas jüdisches. Meine Mutter verbrachte damals Stunden in der Küche, um etwas zuzubereiten, das mir nicht schmeckte. Heute hingegen suche ich Gerichte danach aus, wie kompliziert ihre Zubereitung ist.
Wenn ich in seltenen Fällen einmal inspiriert bin und ein etwas komplizierteres Gericht zubereite, gibt es nur „Bäh“ und „Ichssa“ (hebräisch für Iggitt) von den Kindern. Es scheint eine negative Korrelation zwischen der Zubereitungszeit und dem Zuspruch von Kindern für Gerichte zu geben. Das hat sicherlich mit unserer modernen Nahrungsmittelindustrie zu tun, aber die Tatsache, dass jüdische Kinder nicht gerne jüdisch essen, ist ein altes Phänomen. Zumindest bei uns Ashkenasim.
Gefillter Fisch
Das wahrscheinlich ashkenasischste Gericht ist der gefillte Fisch. Er wird durch Zerkleinern von entgrätetem Fisch unter Zugabe von Füllstoffen wie Paniermehl, Eiern und Gemüseabfällen hergestellt. Am Ende kommt ein große grauer Klos heraus, der nach nichts schmeckt.
Der gefillte Fisch ist genauso trostlos wie das Leben der europäischen Juden in ihren Ghettos im Mittelalter.
Trotzdem, oder vielleicht, um die Erinnerung an unser schweres Exil am Leben zu halten, blieb der gefillte Fisch auch in Israel als Tradition bestehen. Wir essen ihn manchmal am Schabbat, wenn wir denken, dass wir für unsere Sünden der Woche büßen müssen. Er wird traditionell mit Meerrettich gegessen, der hier in Israel aus Rote Beete gemacht wird und nicht scharf ist. Mit ganz viel von diesem süßen Meerrettich ist der gefillte Fisch essbar.
Wer aus solch einem Umfeld stammt, hat keine guten Voraussetzungen ein guter Koch zu werden. Während der Corona-Krise war in Israel der Witz im Umlauf, dass eine orientalische Familie in Quarantäne ging, weil sie bei Ashkenasim zu Besuch waren und das Essen dort keinen Geschmack hatte. Sie dachten sie hätten Corona, da eines der Symptome der Verlust des Geschmacksinns war.
Ich versuche aus dem kulinarischen Ghetto auszubrechen und koche gerne internationale Gerichte. Am liebsten asiatisch, mit viel Sojasoße und mit ein bisschen Schärfe. Als Ashkenasi und ohne Talent für das Kochen, gelingt es mir selten meine Kinder für meine Gerichte zu begeistern.
Ein typisches Mittagessen
Bei uns sieht verläuft die Fütterung der Kinder in etwa so aus:
„Hey Kinderlach, heute habe ich euch etwas ganz leckeres gekocht!“
„Oh nein!“
„Aber ihr wisst doch gar nicht, was ich gemacht habe?!“
„Können wir nicht einfach Pizza essen?“
„Wir hatten Pizza schon heute zum Frühstück und gestern drei Mal, jetzt essen wir etwas Gesundes!“
„Ufff!“
Hoffnungsvoll lege ich den Kindern meine Kochkreation schön auf ihren Tellern aus und warte gespannt auf ihr Urteil.
Aber anstatt sich auf ihr Essen zu stürzen, bewegen sich meine drei Mädchen überhaupt nicht. Sie unterhalten sich miteinander und ignorieren mich und die Teller vor ihrer Nase.
„Hallo! Wollt ihr nicht essen?!“
„Ich mag das nicht,“ sagt Sarah (9) und schaut mich mitleidig an.
„Du hast es doch gar nicht probiert!“
Ganz langsam stochert Sarah in ihrem Teller herum, nimmt etwas vom Teller und schiebt es sich mit angewidertem Gesicht halb in den Mund. Dann schüttelt sie den Kopf und legt ihre Gabel, inklusive des angebissenen Essens, zurück in den Teller.
„Das ist, was wir heute essen! Es gibt nichts anderes!“ rufe ich, während mich die drei Mädchen ängstlich anschauen. Ich weiß aus Erfahrung, dass sie vor mir keine Angst haben, sondern vor dem Essen, das sie jetzt irgendwie hinter sich bringen müssen.
Da sie aber hungrig sind, nehmen sie das Risiko auf sich und nehmen langsam ihre Gabeln in die Hand.
Genau zu diesem Zeitpunkt kommt jedes Mal die pünktlichste Ehefrau von allen in die Küche. „Was riecht hier denn so komisch? Experimentierst du wieder an unseren Kindern herum?“
Aufgeschreckt schauen mich die Mädchen mit großen Augen an, während sie ihre Gabeln wieder hinlegen. Ihre Mami hat ihnen einen Weg ermöglicht, aus ihrer misslichen Lage herauszukommen.
„Nein, nein, nein, Mami hat nur Spaß gemacht, es ist wirklich lecker!“ sage ich schnell, aber die Schlacht ist bereits verloren.
Wie man es richtig macht
Ganz anders sieht es bei meinem Freund Roni aus. Ich teile mir mit ihm ein kleines Büro hier in Bet Shemesh, wo er als Immobilienmakler arbeitet, aber er ist eigentlich ein gelernter Koch. Seine Kinder essen nie Fast Food und wenn er mir die Sandwiches zeigt, die er sich und seinen Kindern zum Mitnehmen macht, werde ich immer ganz hungrig. Auch bei vollem Magen.
Wir haben in unserem Büro eine kleine Herdplatte, auf der wir uns manchmal etwas zum Essen zubereiten. Da Roni gerne kocht und ich gerne esse, passen wir sehr gut zusammen in unser kleines Büro.
Nach einigen gemeinsamen Mahlzeiten, dachten wir uns, dass wir Ronis Talente nicht für uns alleine behalten sollten, sondern mit der Welt teilen müssen. Mein Talent als Filmemacher lässt sich in etwa mit meinem Talent als Koch vergleichen, aber in beiden Fällen gebe ich nicht auf, sondern beglücke meine Umwelt mit meinen Experimenten.
Roni und ich haben also vor kurzem unseren eigenen YouTube Kochkanal ins Leben gerufen und bereits drei Filme veröffentlicht. Unser YouTube Kanal heißt „Lunch at Work“ und Roni teilt dort einige sehr einfache, aber leckere Rezepte mit uns.
Herausgekommen aus unseren bisherigen Kochvideos ist ein Eintopf aus „Seinfeld“ und „The Office“. Wir sind unfreiwillig lustig und die Kameraarbeit ist sehr amateurhaft. Vielleicht gibt das unseren Videos im Vergleich zu all den anderen perfekt produzierten Filmen einen gewissen Charme, vielleicht sollte ich jedoch auch einfach daran arbeiten, im Filmen und Editieren besser zu werden. Was denken Sie?