Der Rabbiner meiner Synagoge hat mit einem Kollegen eine Lerngruppe unter dem Namen „Work Inspired“ gestartet. Anfangs hatte ich gedacht, dass ich als Blogger keine inspirierte Arbeit brauche, ich brauche einfach nur Arbeit. Auf den zweiten Blick ist Inspiration jedoch eine sehr gute Sache und ich bin der Lerngruppe, Chebura auf Hebräisch, beigetreten.
Wir treffen uns drei Mal pro Woche und lernen biblische und talmudische Texte im Zusammenhang mit Arbeit. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie viel man darüber lernen kann und aus wie vielen verschiedenen Blickwinkeln die Arbeit, das Einkommen, Wohlstand und Materialismus allgemein betrachtet werden kann.
Zuerst mussten wir jedoch mit den negativen Einstellungen über Arbeit aufräumen, denn nicht nur macht uns Arbeit meistens keinen großen Spaß, auch wird sie in der Bibel als Fluch dargestellt:
„Und zu Adam sprach er [Gott]: Weil du der Stimme deiner Frau gehorcht und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir gebot und sprach: »Du sollst nicht davon essen!«, so sei der Erdboden verflucht um deinetwillen! Mit Mühe sollst du dich davon nähren dein Leben lang; Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Gewächs des Feldes essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du [dein] Brot essen, bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen.“
(1. Mose 3, 17-19)
Man kann es aber auch anders sehen, wie ein Midrasch, ein antiker jüdischer Text, uns lehrt. Hier heißt es:
„Lobenswert ist Arbeit! Wie wir sehen, hat Gott so viele Geschöpfe in seiner Welt erschaffen und er gab die Arbeit nur dem Menschen. Wie Rabbi Meir sagte: Hast du jemals einen Löwen als Gepäckträger gesehen, einen Bär, der Feigen trocknet, einen Fuchs, der ein Geschäft führt, oder ein anderes Tier, das arbeitet? Warum wurde ihnen die Arbeit nicht gegeben? Nicht weil sie zweitrangig ist, sondern weil sie bevorzugt wird, und deswegen wurde sie dem Menschen gegeben.“
Tiere in Freiheit arbeiten nicht, nur der Mensch hat dieses Privileg. Auch wenn Adam mit Arbeit verflucht wurde, scheint sie doch auch eine gute Seite zu haben. Dies wiederum kann zu einer neuen Einstellung gegenüber der Arbeit führen, nämlich, dass sie nicht etwas ist, das man gegen seinen Willen tuen muss, sondern etwas ausdrücklich Menschliches.
Es ist ja auch wirklich so, dass die meisten Jobs Produkte und Dienstleistungen erschaffen, die den Mitmenschen etwas Gutes tun. Ich biete meinen Lesern seichte, spirituelle Unterhaltung, mein Nachbar ist Handwerker und ein anderer Nachbar verkauft Solaranlagen. Ein weiterer Nachbar hat eine Marketingfirma, ich bin allerdings nicht so sicher, was sein positiver Beitrag für die Gesellschaft ist.
Diese neue Einstellung zur Arbeit als menschliches Privileg, das es uns ermöglicht, einen positiven Beitrag für die Menschheit zu leisten, ist ein sehr guter Weg, die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Wirtschaftswissenschaftler forschen seit langem über die Frage, wie man die Zufriedenheit und Motivation für unsere heutige Arbeitswelt erhöhen kann, haben es jedoch versäumt, jüdische Quellen darüber zu befragen.
Aber was ist mit dem Fluch? Vielleicht ist es so wie vor einigen Jahren, als ich unserem David einmal zur Strafe befahl, das Geschirr zu spülen. Er hat es unter heftigen Protesten schließlich getan und als die erschöpfteste Ehefrau von allen später nach Hause kam, war sie sehr froh über das saubere Geschirr. Sie lobte David überschwänglich und er war stolz auf seine Leistung. In meiner Chebura lerne ich jetzt schon, über das Privileg der Arbeit glücklicher zu sein.
Eine Antwort
Zu dem 1. Bild: Wenn man den “$” und sei Erwerb an erste Stelle im Leben stellt, wird er zum Götzen (Mammon), der einen ganz und gar beherrscht, bis hin zur moralischen Perversion. Wie ein großer Rabbi mal sagte: “Niemand kann zwei Herren dienen, denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!”
Zu dem Löwenbild: Das andere Extrem ist hier zu sehen. Nichts tun, vor sich hin dösen und alle vier hängen lassen (und von der Sozialhilfe leben) tut dem Menschen garantiert auch nicht gut. Wie schon der Apostel Paulus an die Thessalonicher schrieb: “Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen!”